Die Woche in Berlin

Der Parlamentsbetrieb im Deutschen Bundestag unterteilt sich in 22 Sitzungswochen, in denen die Abgeordneten in Berlin zusammenkommen und im Plenarsaal im Reichstagsgebäude tagen. In den anderen Wahlkreiswochen – sogenannte parlamentsfreie Wochen – sind die direkt gewählten Abgeordneten für die Bürgerinnen und Bürger aus ihrem Wahlkreis im Einsatz.


Eine Berliner Sitzungswoche folgt immer einem bestimmten Muster, das ich Ihnen einmal beispielhaft aufzeigen möchte. Verschiedene Ereignisse und aktuelle Vorfälle lassen diese Standardsitzungswoche durchaus verändert aussehen. In der Regel verläuft allerdings eine Berliner Woche wie folgt:

Wenn ich nicht bereits am Sonntagabend anreise, beginnt meine Reise nach Berlin am Montag in den frühsten Morgenstunden. Aufgrund der Elektrifizierung der Oberschwäbischen Bahnregion bin ich derzeit noch auf eine Flugverbindung nach Berlin angewiesen. So reise ich von Weingarten über Ravensburg nach Friedrichshafen. Ein Flieger bringt mich sodann nach Frankfurt und schließlich in die Bundeshauptstadt Berlin.

Die meisten meiner Kollegen reisen am Montag an, einige Kollegen treffe ich bereits in Frankfurt am Flughafen. Ein solcher Flug gibt mir – anders als eine Anreise mit dem Wagen – die Möglichkeit, erste E-Mails zu sichten und mich in einige der anstehenden Themen der kommenden Tage einzuarbeiten. Dies wäre bei einer Anreise mit der Deutschen Bahn in noch umfänglicherer Weise möglich. Auch deshalb freue ich mich auf die Fertigstellung der Bahnelektrifizierung. Zudem bin ich aus verschiedenen Gründen kein Liebhaber des Fliegens.

Wenn ich dann vor dem Mittag in Berlin ankomme, kann ich erste parlamentarische Termine und Gremiensitzungen wahrnehmen. Nicht selten finden am Montag auch schon Ausschusssitzungen zu Gesetzesinitiativen statt, an denen ich als Berichterstatter für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion teilnehme. Auch Gespräche mit Interessenvertretern können bereits am Montag von meinem Berliner „Parlamentsteam“ für mich eingeplant worden sein.

Die Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, Vertretern der Regierung, Sachverständigen, Interessenvertretern, Verbänden und Journalisten gehören zum täglichen Pensum, das sich durch eine ganze Sitzungswoche zieht – nicht nur montags. Solche Treffen werden dann immer um die unveränderbaren Fix-Termine gelegt und von meinem Team vorbereitet, um die wenige Zeit einer Berliner Woche optimal mit Gesprächen und Beratungen zu nutzen.

Den vorläufigen Abschluss eines Berliner Montags in der Sitzungswoche bildet die baden-württembergische Landesgruppensitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter Leitung von MdB Andreas Jung aus dem Bodenseekreis. Diese Zusammenkunft beginnt grundsätzlich 19.30 Uhr und geht je nach Tagesordnungspunkte mindestens zwei Stunden.

Der Dienstag markiert den Start in den parlamentarischen Betrieb. Als ordentliches Mitglied im Rechtsausschuss und im Ausschuss für Gesundheit (kurz Gesundheitsausschuss) treffe ich mich immer dienstags morgens und mittags mit den Fachpolitikern der CDU/CSU-Fraktion in den zugehörigen Arbeitsgruppen (AG). Diese tagen etwas zeitversetzt, was mir die Teilnahme grundsätzlich ermöglicht.

In der Arbeitsgruppe Recht diskutieren wir zum Beispiel die anstehenden rechtspolitischen Themen, die im Ausschuss und im Plenum in dieser Woche beraten werden. Wir sprechen uns ab, wie bei strittigen Abstimmungen die Argumente gewichtet werden und im Ergebnis abgestimmt wird. Zudem blicken wir in der AG immer auf rechtspolitische Grundsatzfragen und beraten über die Ausrichtung der Fraktion. Solche Themen der Vergangenheit waren etwa Abtreibung, Organspende oder Änderungen im Adoptionsrecht. Die intensive Auseinandersetzung mit geplanten Initiativen ermöglicht es uns in der Arbeitsgruppe, frühzeitig die Expertise von 14 Juristinnen und Juristen aufzugreifen. Bei 14 Juristen sind bekanntlich mindestens 15 Meinungen zu berücksichtigen. Sie können sich also gut vorstellen, dass dieses Gremium sehr genau die Argumente prüft, abwägt und überlegt entscheidet. Die Beratungen der Initiativen in der nicht öffentlich tagenden „AG Recht“ dienen auch der Vorbereitung der Fraktionssitzung, in der später diese Anträge den anderen Kollegen vorgetragen werden.

Das höchste Beschlussgremium der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag tagt am Dienstag ab 15 Uhr. Unter der Leitung des Fraktions- und Parteivorsitzenden Friedrich Merz kommen alle 197 Abgeordneten zusammen und beraten über die anstehenden Gesetzesentwürfe, die im Plenum beraten werden. Die Fraktionssitzung ist Schaltzentrale, Antrieb und Motor der Fraktionsarbeit. Hier erörtern die Abgeordneten die politische Lage und entscheiden über Gesetzentwürfe und weitere Initiativen.

Im Anschluss an die zuweilen bis in die Abendstunden hinein dauernden Beratungen der Fraktion finden weitere wechselnde Termine und Gespräche statt. Im Anschluss an diesen finden Sie mich in meinem Parlamentsbüro im Paul-Löbe-Haus, um an Ausschussthemen, Petitionen und der Bearbeitung von Bürgerbriefen zu arbeiten.

Das Gros der parlamentarischen Arbeit erfolgt in den Parlamentsausschüssen, die auf Beschluss des Bundestages für die Dauer der gesamten Wahlperiode gebildet werden. In der 19. Wahlperiode hat der Bundestag 24 ständige Ausschüsse eingesetzt. Die ständigen Ausschüsse sind, entsprechend den Kräfteverhältnissen im Parlament, mit Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen besetzt.

In den Ausschüssen konzentrieren sich die Abgeordneten auf ein Teilgebiet der Politik. Sie beraten alle dazugehörigen Gesetze vor der Beschlussfassung und versuchen bereits im Ausschuss einen mehrheitsfähigen Kompromiss zu finden.

Der Rechtsauschuss tagt in Sitzungswochen mittwochs vormittags und mittags. Ab dem Nachmittag beginnen die Sitzungen im Plenum des Deutschen Bundestages.

In der Regel beginnt das Plenum in Sitzungswochen am Mittwochmittag mit der Befragung der Bundesregierung und der Fragestunde. Je nach Ereignis findet auf Verlangen einer Fraktion zudem eine sogenannte „Aktuelle Stunde“ zu tagesaktuellen Anlässen statt.

Nicht selten findet am Mittwoch allerdings parallel zum Plenarbetrieb eine zweite Ausschusssitzung statt, in der Sachverständige zu einem Gesetzesentwurf und den möglichen Auswirkungen eines zu beschließenden Gesetzes befragt werden.

Diese Anhörungen sind erprobtes Hilfsmittel des Deutschen Bundestages, um externe Expertise einzuholen und die Gesetze von Wissenschaftlern, Praktikern, Interessensvertretern und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) oder sachverständige Einzelpersonen durch Gutachten bewerten zu lassen und somit alle möglichen Eventualitäten zu beleuchten. Die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung fließen sodann in die weiteren parlamentarischen Beratungen ein und können in das Gesetz ändernde Anträge münden.

Für mich beginnt – so oft es mir die morgendlichen Termine ermöglichen – ein Tag ab 5.30 Uhr mit einer Joggingrunde um das Kanzleramt, entlang des Spreeufers durch den Tiergarten des Regierungsviertels. Diesen Ausgleich braucht man, um körperlich und geistig fit, den Sitzungsmarathon absolvieren zu können.

Wenn mir Zeit bleibt, kann ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeitern den Tag am Donnerstag (und Freitag) mit einer ökumenischen Morgenandacht im Andachtsraum des Reichstagsgebäudes beginnen. Diese dauert 15 Minuten und wird von Abgeordneten und Mitarbeitern gleichermaßen gehalten.

Anschließend geht es zur Plenarsitzung. Pünktlich um 9.00 Uhr ertönt ein markanter Glockenschlag und alle erheben sich, bis Bärbel Bas als Parlamentspräsidentin die Sitzung eröffnet und alle Platz nehmen. Die Sitzung „ist eröffnet“. Sie dauert bis 22 Uhr.

Das Plenum – die Gesamtheit aller Abgeordneten – verhandelt öffentlich in Sitzungen. Das sind die Sitzungen, die wir von den Fernsehübertragungen kennen und an der Sie von der Besuchergalerie aus auch als Gast zuschauen können.

Es sind – ganz selbstverständlich – nicht immer alle Parlamentarier gleichzeitig im Plenarsaal. So wie am Mittwoch, während der mitunter parallel zum Plenum stattfindenden Ausschusssitzung, sind auch am Donnerstag und Freitag hauptsächlich die Fachpolitiker der jeweiligen federführenden und mitberatenden Ausschüsse, deren Themen gerade diskutiert werden, im Plenum und nehmen aktiv an den Debatten teil. Auch ich bin nicht von 9.00 bis nachts um 22.00 Uhr im Plenum anwesend. Dafür habe ich in meinem Parlamentsbüro einen Fernseher mit Liveübertragung der Sitzungen aus dem Plenum stehen. So kann ich die Debatte verfolgen und parallel auch inhaltlich an wichtigen Initiativen und Wahlkreisanliegen arbeiten und mich mit Kollegen und Regierungsmitgliedern treffen.

Die Anwesenheit zu Regierungserklärungen, Abstimmungen zu wichtigen Gesetzen und Beschlüssen ist für alle Abgeordneten verpflichtend. Zudem fordert die namentliche Abstimmung immer die Präsenz aller.

(Die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte, die Themen der aktuellen Stunde o.Ä. wird im Ältestenrat oder auf Antrag der Fraktionen vereinbart und beraten und dann der Bundesregierung und dem Bundesrat mitgeteilt. Die Leitung der Sitzungen erfolgt durch den Bundestagspräsidenten oder seine Stellvertreterinnen und Stellvertreter. Ein solches Muster können Sie hier einsehen.)

Donnerstag und Freitag werden von morgens 9.00 Uhr bis oft spät in die Nacht die aktuellen Themen im Plenum diskutiert. Einige regulären Tagesordnungen sahen mich sogar 3.40 Uhr nachts als Redner vor! Inzwischen hat man vereinbart, die Redezeiten zu straffen und das reguläre Ende des Plenarbetriebes für 22.00 Uhr zu planen. Da die Gesetze vorher in den Ausschüssen behandelt worden sind, ist der im Plenum stattfindende Schlagabtausch zumeist ein „Schaugefecht des Wortes für die Öffentlichkeit“. Die eigentliche Sacharbeit findet in den Ausschüssen, in den Arbeitsgruppen, in den (Regierungs-)Fraktionen und in den sogenannten Berichterstattergesprächen statt.